Liebe Freunde,
ich sende euch herzliche Grüße aus der Mission Ololkirikirai. Nachdem ich am 30. Juli von meinem Europaaufenthalt nach Kenia zurückkehrte, haben wahrscheinlich manche von euch auf eine Nachricht von mir gewartet, aber keine erhalten. Das war keine Absicht oder Undank, sondern ist die Folge der schlechten Netzwerkanbindung des Ortes, an dem ich lebe und arbeite. Hier gibt es keinen Internetzugang und oft auch keinen Handyempfang. Ich versuchte an meine Freunde in Europa SMS zu senden, einige Nachrichten erreichten die Empfänger, andere wieder nicht. Ich habe keine Ahnung, warum das Netzwerk manchmal funktioniert und manchmal nicht. Trotzdem habe ich versucht, an alle, deren Handynummer ich eingespeichert habe, eine SMS-Nachricht zu senden. Jene, die meine Nachricht vor wenigen Tagen erhalten haben, wissen, dass es leider schlechte News gibt:
Ololkirikirai brannte. In den frühen Morgenstunden des 3. September brach in Ololkirikirai ein Feuer aus, welches für die armen Leute ein großes Unglück brachte. Das Feuer zerstörte die Häuser und das gesamte Hab und Gut von hunderten Menschen im Ort. Freunde, die meine SMS-Nachricht erhalten hatten, drückten umgehend ihr Mitgefühl aus. Viele fragten, wie sie in dieser schwierigen Situation helfen können. Ich möchte mich für eure Anteilnahme bedanken, danke für dieses Zeichen der Humanität, der Nächstenliebe und Sorge. Ich durfte wieder einmal diesen sehr positiven österreichischen Charakterzug erfahren, dass Notleidenden Hilfe angeboten wird.
Heute bin ich im Bischofshaus, wo ich mich nun von den Strapazen der letzten Zeit ein wenig erholen kann. Hier gibt es auch einen Internetzugang, der es mir erlaubt, diese Informationen an euch weiterzugeben. Heute oder morgen geht es wieder zurück in meine Pfarre.
Obwohl ich eben erst in Nairobi angekommen und von der Anreise sehr erschöpft bin, möchte ich euch dennoch darüber berichten, was sich in Ololkirikirai ereignet hat:
Am 3. September wurde ich um 2 Uhr in der Früh durch laute Schreie von Menschen aus der Nachbarschaft aus dem Schlaf gerissen. Der erste Gedanke eines Mannes, der nach einem langen Arbeitstag erst um Mitternacht ins Bett ging, war, dass es sich um einen Traum handelte. Mein zweiter Gedanke war, dass es sich um Betrunkene handelte, die nach dem Trinken von hochprozentigem, lokalen Bier herumrumorten, vielleicht auch jemand, der seine Frau und Kinder schlägt. Diese Gedanken liefen wie ein Film vor mir ab – wie ein Alptraum. Ich wachte auf und merkte, dass nichts an diesen Gedanken dran war. Ich sah, wie das gesamte Pfarrgelände von den Flammen des brennenden Dorfes erhellt war. Wieder befiel mich ein schockierender Gedanke: Die Missionsstation könnte auch schon den Flammen zum Opfer gefallen sein. In diesem Moment läutete mein Handy. Der Ortsvorsteher rief an und sagte, dass der ganze Ort brennt. Er bat um Zugang zu den Wassertanks der Pfarre, um das Feuer zu bekämpfen. Ich stimmte sofort zu, zog mich so schnell ich konnte an und lief hinaus. Die Mitarbeiter, welche in der Mission wohnen, waren in der Zwischenzeit auch schon aus ihren Häusern. Jeder brachte Eimer und sonstige kleinere und größere Gefäße zum Wasserschöpfen von unserem unterirdischen Tank. Wir liefen hinaus und versuchten das Feuer einzudämmen, das schon einige Häuser erfasst hatte. Alle Männer, Frauen und Kinder aus dem Dorf und der Umgebung versuchten ihr Bestes, um das Feuer zu stoppen. Ein Geist des Miteinanders war in dieser Situation zu spüren. Die Menschen waren wie Ameisen, deren Arbeitsziel es war, das Feuer zu löschen. Ich war ein Teil dieser Gruppe und fugierte als eine Art Organisator, der die Leute zu jenen Plätzen hinleitete, wo die Hilfe am Sinnvollsten war. Unermüdlich arbeiteten wir mehr als drei Stunden ohne Unterbrechung. Einige kleine Teile des Dorfes konnten wir so retten. Die Zusammenarbeit lief reibungslos und wie durch ein Wunder wurde weder jemand verletzt noch getötet. Aber der Schaden, den das Feuer angerichtet hatte, war sehr groß.
Über die Brandursache gibt es viele Theorien. Ich hörte, dass ein Solarbatteriesystem, mit dem Handyakkus geladen werden, die Ursache sei. Andere meinten, dass ein Sack Holzkohle zu brennen begann, als sein Besitzer schlief. Wie schon gesagt, niemand kennt den genauen Auslöser, vielleicht werden wir später mehr über den Hergang erfahren.
Alle zentral gelegenen Holzgeschäfte von Ololkirikirai wurden durch das Feuer zerstört. Nur die rechts und links außen liegenden Teile konnten gerettet werden, nachdem die Menschen mit all ihren Kräften gegen das Feuer gekämpft hatten. Mehr als hundert Menschen sind betroffen, sie haben ihre Häuser und Geschäfte verloren – Kleidung, Lebensmittelvorräte, Schlafplätze – alles wurde zerstört.
Ololkirikirai ist ein sehr kalter Ort, momentan friert es beinahe. Die vom Unglück Betroffenen wurden von Freunden und Verwandten aufgenommen, doch diese Situation kann keine Dauerlösung sein, denn die Lebensgrundlagen der Unterkunft gebenden Familien sind meist selber sehr karg. Als Soforthilfe waren Lebensmittel und Decken notwendig. Die lokale Regierung hat ein wenig Lebensmittel und ein paar Decken zur Verfügung gestellt. Aber das ist zu wenig für die Menschen. Mehr Nahrung und Decken werden dringend benötigt und auch jene brauchen dringend Unterstützung, welche die obdachlos Gewordenen vorerst bei sich aufgenommen haben. Es ist fraglich, ob die örtliche Behörde weiter Unterstützung bietet, bis jetzt ist keine weitere Hilfe eingetroffen. Die Menschen sind dabei, eine „Harmabee“ zu organisiert, eine Spendenaktion für die betroffenen Familien. Ich befürchte nur , dass diese Sammlung durch politische Querelen nicht den gewünschten Erfolg bringen wird. Viele Familien sind schon in die Pfarre gekommen und haben nach Hilfe gefragt. Wir müssen etwas tun, denn sie haben so viel verloren. Nach meiner Schätzung wird der Wiederaufbau der abgebrannten Häuser Millionen Kenianischer Schillinge kosten.
Der Brand ist in Ololkirikirai aber nicht das einzige Problem. Die sturzflutartigen Regenfälle haben schon drei Menschenleben in meiner Pfarre gefordert. Diese Menschen sind gestorben, als sie zu Fuß versuchten überflutete Straßen und normalerweise kleine Bäche zu überqueren.
Vielleicht habt ihr auch von der Ölkatastrophe der Kenya Pipe Line Company gehört, beinahe hundert Menschen kamen dabei ums Leben. Dieses Unglück hat sich unmittelbar nach der Feuersbrunst in Ololkirikirai ereignet. Meine Erwartungen auf Hilfe durch die Regierung sind daher minimal.
Liebe Freunde, das ist ein kurzer Bericht über die Ereignisse, welche sich so kurz nach meiner Rückkehr von meinem Europabesuch ereignet haben.
Ich möchte nochmals meinen herzlichen Dank für die Gastfreundschaft und Unterstützung, die ich während meiner Zeit in Österreich wieder erfahren durfte, ausdrücken. Ich weiß nicht, wie ich diese schwarzen Tage in Ololkirikirai, ohne diese Bestärkung durch den Aufenthalt bei euch durchgestanden hätte. Ich konnte mich nur deswegen mit so viel Energie in die Katastrophenbewältigung einbringen, weil ich durch euch viel Rückhalt und Bekräftigung erfahren habe.
Herzliche Segenswünsche!